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Saman (23) aus dem Irak erzählt von seiner Flucht vor dem IS

"Mein Leben war ganz normal, kann man sagen"

Meine Großeltern waren die ersten aus meiner Familie, zumindest von denen, die ich kenne, die den Krieg im Jahr 2002 erlebt haben. Alle Mitglieder meiner Familie, besonders die älteren, wussten alles über die Thematik des Krieges. Jedoch haben wir während unseres Lebens im Irak versucht, dieses Thema zu verdrängen, zu ignorieren, es auszublenden, uns selbst zu belügen und durch die Hoffnung, dass der Krieg nie wieder kommt, uns vorzumachen, dass wir ein ganz normales Leben führen könnten. Der Krieg war trotzdem immer da, neben uns, in den anderen Ländern, die an den Irak grenzen. Aber die Hoffnung ist immer laut. Man denkt sich, der Krieg ist weit weg, er braucht Zeit, Kraft, Energie und Platz, um einen zu schnappen.

Bis zum 03. August 2014 war der Krieg immer noch in der Ferne. Mein Leben war ganz normal, kann man sagen. Wie jedes Leben ohne große Unterbrechungen. Mein Leben floss dahin und es fühlte sich normal an. Wenn man sich als Jezide inmitten eines muslimischen Landes befindet, hat man keine andere Wahl, als nur Hoffnung zu haben, dass man etwas erlebt. Aber dieses ständige Hoffen lohnte sich nicht für einen Jugendlichen, wie mich damals. Deshalb lässt man die Hoffnungen fahren und führt das Leben einfach so normal wie möglich, bis man es gelernt hat, auf Hoffnungen zu verzichten.

Die Familiensituation war auch normal. Ich habe eine große Familie und wir haben uns immer gut verstanden. Selbstverständlich gab es Kleinigkeiten, wie Streit zwischen Eltern und Geschwistern, aber wir lösten alle Missverständnisse mit Liebe, Geduld und Kommunikation. So haben wir es auch damals in meiner Heimat gemacht. Tatsächlich eine ganz normale Familie und ein ganz normales Leben. Wir hatten keine Pläne, Wünsche oder das Verlangen zu flüchten, um unsere Umgebung zu verändern oder etwas Ähnliches. Außer meinem ältesten Bruder, der schon im Jahr 2007 nach Deutschland gezogen ist, da er schon immer in Europa leben wollte. Manche Freunde von ihm waren schon nach Deutschland gezogen, um sich schulisch zu bilden und so kam sein Wunsch, auch nach Deutschland zu gehen. Wir waren immer, bis zur Katastrophe zufrieden damit, in unserem Dorf zu wohnen, wo es 8 Monate warm und 4 Monate frisch ist. Wo die Sonne die Haut küsst, man barfuß durch die Natur rennt und jeden im Dorf grüßt. Ich als Kind und Jugendlicher, meine Geschwister und Freunde haben den Hass und den Krieg, der sich schon 73mal zwischen Muslimen und Jeziden wiederholt hat, nicht erkannt und haben unser Leben genossen. Aus unserer Perspektive war die Welt unschuldig, heilig und liebevoll. Den Hass und das Böse konnte man nie in unserer Familie und unter den Menschen, die in meinem Leben waren, fühlen. Bis zu dem Zeitpunkt, als ich alt genug war, um von meinen Eltern etwa mehr über diesen Hass mitzubekommen und zu verstehen. Ob ich es heute wirklich verstanden habe, kann ich nicht sagen.

Unsere finanzielle Situation war stabil, um das Essen jeden Tag „auf dem Boden“ (Asiaten essen ja auf dem Boden) zu haben. Alles andere war teuer, was nicht ungewöhnlich ist. Jedoch hatte ich nie das Gefühl, dass wir arm wären oder dass wir noch irgendetwas brauchten.

Jeden Tag, jeden Abend haben wir barfuß Fußball gespielt. Wir haben sogar die Schule geschwänzt, um Fußball zu spielen. Ich liebe Fußball. Ich habe die Grundschule und Hauptschule 6 Jahre besucht. Daneben hatte ich einen Job auf der Baustelle, habe dabei aber nichts verdient, da ich es so sehr genossen habe, rein aus meiner Zufriedenheit, freiwillig mit meinen Freunden in dem Job zu arbeiten und mit ihnen so viel Zeit wie möglich zu verbringen. Geld hat nie eine große Rolle in unserem Leben gespielt.

Es ist schwierig, die Frage, was ich in meiner Heimat zurücklassen musste, zu beantworten. Es wäre einfacher auf die Frage ,,Was habe ich von meiner Heimat mitgenommen?“ zu antworten. Die Antwort lautet: meinen Reisepass, meine Geburtsurkunde und meinen physischen Körper. Um zu verstehen, dass ich ALLES zurücklassen musste, gebe ich ein paar Beispiele: das Haus, in dem ich 14 Jahre lang gelebt habe, das Wetter, die Sonne, die oft zum Besuch zu mir gekommen ist und lange bei mir geblieben ist, Freundschaften, meine Kindheit, meine Familie, das Fahrrad, welches so wie mein erweitertes Ich war, Kleidung, Feste, Traditionen, meine Erziehung, meine Gefühle, meine Persönlichkeit, die sich noch am Entwickeln war. Diese Entwicklung riss ab und ich musste sie zurücklassen.
 

"Ich erinnere mich an endlose Nächte ohne Schlaf, Fluchtpläne und Gespräche…"


Der Krieg hat angefangen und das war natürlich der Grund, warum meine Familie und ich flüchten mussten. Es ist fast unmöglich, die Erlebnisse aus dem Kopf zu bekommen. Ich erinnere mich an die Lautstärke der Waffen und Bomben. Ich erinnere mich an endlose Nächte ohne Schlaf, Fluchtpläne und Gespräche, bzw. die Unterstützung in meiner Familie. Lebhaft sehe ich noch immer viele tote Körper überall, lose Körperteile… Die IS-Terroristen haben unsere Männer getötet, unsere Frauen geraubt und sie danach in andere Länder verkauft. Eine Schwangere brachte ihr Baby zur Welt. Sie haben ihr das Baby genommen, es gekocht und dann der Mutter zum Essen angeboten. Ohne es zu wissen, aß die hungrige Mutter ihr Baby. Danach haben sie die Frau gefragt, ob es geschmeckt hat. Sie antwortete mit einem ,,Ja“ und sie freuten sich und teilten ihr mit, dass sie ihr eigenes Kind gegessen hatte. Sie hatten Sex mit 4- und 5-jährigen Kindern, wir mussten unseren Glauben wechseln, Tage und Nächte ohne Essen, ohne Wasser erleben. Sie drohten uns, andere Familienmitglieder zu kontaktieren, ihnen zu sagen, dass es sicher sei, uns abzuholen und zu retten, und wenn sie kämen, um uns abzuholen, würden sie unsere Familienmitglieder töten. Jugendliche und Kinder mussten mit Waffen arbeiten, sie z. B. mit Kugeln laden. Sicherlich gab es noch mehr Situationen und Szenen, die ich durch den Krieg erlebt habe, aber mein Gehirn schützt mich vor all diesen traumatischen Erlebnissen, indem ich mich an Vieles nicht mehr erinnern kann. Wahrscheinlich ist es so besser.

"Alles, was man hat, ist die Hoffnung“

 

Da mein Bruder schon in Deutschland gelebt hat (wie oben gesagt), war er unsere Ressource. Er musste so viel Geld wie möglich besorgen, um uns aus dem Irak nach Deutschland zu bringen. Wie er das Geld für alle Familienmitglieder bekommen hat, weiß ich noch immer nicht, und um ehrlich zu sein, will ich es auch nicht wissen. Eine Person nach Deutschland zu bringen, kostete ca. 10.000 €. Das war das erste Mal, dass ich gehört habe, wie viel ich wert bin. Ich habe mich wie ein Objekt gefühlt. Ich fragte mich, ob ich teuer oder billig bin. Diese 10.000 € teilten sich dann für jede Fluchthilfe Personen in der Türkei, Bulgarien, Serbien etc. Ca. 2 Monate lang sind wir zu Fuß durch die Türkei und Bulgarien geflüchtet. Wir hatten genügend Wasser und Essen, um jedes Land zu Fuß zu durchqueren. In jedem neuen Land haben wir uns erneut Essen und Wasser kaufen müssen. Von Serbien nach Deutschland sind wir mit dem Kombiwagen gefahren. Der Fahrer hat die Sitzbänke im Wagen auseinandergenommen und uns dann darin versteckt. Danach hat er sie wieder zusammengemacht, damit keiner merkte, dass wir mitfuhren. Andere Menschen haben auf uns gesessen. 7-8 Stunden Fahrt ohne Licht zu sehen, ohne normal atmen zu können, fühlten sich wie 2 Jahre an. Vor allem weiß man nicht, wo man hinfährt, was draußen passiert. Alles, was man hat, ist die Hoffnung.

 

„Ich habe großen Respekt vor den Deutschen, die unglaubliche Geduld mit uns Ausländern mit schwachen Deutschkenntnissen haben.“

 

Ich bin jetzt schon seit 5 Jahren in Deutschland. Wie ich zu meinem neuen Zuhause, also zu meinem Bruder in Deutschland gekommen bin, weiß ich nicht. Keiner hat mich gesehen und ich habe niemanden gesehen. Ich weiß nur, dass ich vom Wagen sofort ins Zimmer meines neuen Zuhauses gekommen bin.

Das Erste, was mich in Deutschland überrascht hat, waren die Straßenbahnen. Sie waren sehr interessante Verkehrsmittel für mich. Ein großer Kulturschock für mich waren die Klamotten, welche die Menschen in Deutschland tragen. Marken, Mode, Frisuren, allgemein das Aussehen war ein Schock für mich, da es im Irak nur eine Rasse, Religion und Tradition gibt. Im Vergleich dazu gibt es in Deutschland viele Rassen, Kulturen und Religionen. Ich fand die Menschen, die sich auf der Straße küssten, sehr unnatürlich. Die Sprache war auch ein Schock, da ich nur die arabische Schrift kannte. Ebenso fand ich es komisch, dass junge Erwachsene sofort von ihrer Familie, bzw. ihren Eltern wegziehen. Wir wohnen fast für immer mit unserer Familie zusammen, oder wenigstens in der Nähe unserer Familie. Das Ekelhafteste, was ich bis heute nicht ertragen kann, ist die Unmenge von Papieren und Dokumenten, die man in Deutschland haben muss und bekommt, während man hier ist.

Besonders schön fand ich die Offenheit der Menschen. Hier kann man über viele verschiedene Dinge reden, ohne beurteilt zu werden. Man kann sich frei ausdrücken und seine Meinung äußern. Ich habe großen Respekt vor den Deutschen, die unglaubliche Geduld mit uns Ausländern mit schwachen Deutschkenntnissen haben. Ich würde nicht sagen, dass es etwas besonders Schlimmes gab, als ich nach Deutschland gekommen bin. Vielleicht nur ab und zu Rassismus mir gegenüber auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Schulen, auf der Arbeit. Sonst kann ich wirklich nicht sagen, dass ich etwas unbeschreiblich Schlimmes erlebt habe, seitdem ich hier lebe.

Das Wetter finde ich unangenehm. Man weiß nie, was für ein Wetter in Deutschland sein wird. Es ist einfach unvorhersehbar. An demselben Tag kann es regnen, schneien und 15 Grad sein. Lustiges und interessantes Wetter, aber es macht mich persönlich kaputt. Ich komme aus einem Land, wo die Sonne immer scheint. Ich habe zwar eine hellbraune Hautfarbe, aber ich brauche ständig Vitamin D. Mir ist bei 15-20 Grad noch immer kalt und ich chille an einem See meistens in einer Jacke.

Das Essen in Deutschland finde ich eher ungesund. In meiner Heimat haben wir das ganze Essen selbst produziert. Bis heute bin ich skeptisch, wenn es um Supermärkte und ihre Produkte geht. Wer bereitet all diese Produkte zu, sind die gespritzt und enthalten sie Chemikalien? Solche Fragen kommen mir und meiner Familie oft. Zuhause bereiten wir dasselbe traditionellen Essen zu wie in der Heimat. Zumindest versuchen wir, es zuzubereiten. Manchmal gibt es nicht alle benötigten Produkte, um unsere traditionellen Gerichte zu machen. Und auch wenn wir fast dasselbe Essen essen, fühle ich den Unterschied zwischen dem Essen in der Heimat und dem Essen in Deutschland. Die Produkte haben eine andere Qualität als die in der Heimat.
 

„Ich musste vor der Zeit erwachsen werden.“

 

Was vermisse ich von meinem Heimatland? Das Vermissen meines Ichs kommt mir zuerst in den Kopf. Ich musste meine Kindheit unterbrechen, um weiter leben zu können. Ich musste vor der Zeit erwachsen werden. Ich vermisse meine Kindheit, die sorglosen Tage und freien Gefühle, die ich damals gespürt habe. Ich vermisse die Person, die ich damals war. Ich habe sie schnell verlassen müssen und habe mich von mir selbst nicht verabschieden können. Ich vermisse meine Freunde, mit denen ich über alles geredet habe, die Familie, die noch immer im Irak geblieben ist, unsere Traditionen, das Wetter, das Essen. Ich vermisse den Geruch meines Landes, die Farben meines Landes. Dieses Vermissen sind höchstwahrscheinlich nur noch meine Traumata, die ich noch heilen kann, und nur weil ich Heimweh habe, möchte ich Deutschland nicht kritisieren. Wenn man Ausländer ist, besonders, wenn man ein Flüchtling ist, hat man das Gefühl, mehrere Persönlichkeiten zu haben, mehrere Sprachen, mehrere Kulturen. Man gehört nirgendwohin. Man ist zu fremd für Deutsche und unwillkommen in der Heimat. Man kann nicht gewinnen. Ich vermisse die Zeiten, als ich mir keine Gedanken gemacht habe, ob ich einen Job bekommen werde oder nicht, ob mein Vokabular genügend ist, ob ich zu dunkel bin, um einen Arbeitsplatz zu bekommen. Jetzt denke ich öfter an das Geld und wie ich mehr Geld verdienen kann. Deutschland hat mich als einen Ausländer zur Welt der Arbeit geschickt. Ob das meine oder Deutschlands Schuld ist, weiß ich nicht.

Am Anfang haben 8 Leute, einschließlich mir, in einer 1-Zimmer-Wohnung für ein paar Monate gelebt. Jetzt haben wir eine Wohnung mit mehreren Zimmern. Durch Berufsberatung, Jobcenter, Lehrer, Freunde, Verwandte und Bekannte haben wir alle eine Wohnung, finanzielle Unterstützung, Ausbildung, Arbeit etc. gefunden. Da ich jetzt 23 Jahre alt bin, muss ich schon weg aus der Wohnung, wo meine Eltern und Geschwister zusammenwohnen. Ich kann es verstehen, warum das so ist: zu viele Personen in einer 3-Zimmer-Wohnung und zu viele Mieter für eine 3-Zimmer-Wohnung. Solche Regeln oder Grenzen hatten wir noch nie.

„Wir kennen uns alle, aber sind gleichzeitig neue Menschen in einem fremden Land.“

Die aktuelle Familiensituation ist immer noch stabil, aber wir alle spüren es, wie Krieg, Umzug, Arbeit und Erwachsenenleben uns beeinflusst haben; wir verbringen nicht mehr so viel Zeit zusammen, wir essen nicht gleichzeitig zusammen wie früher. Diese ganze Situation hat uns sowohl getrennt als auch näher zusammengebracht. Wie man das verstehen kann, ist schwierig. Wir kennen uns alle, aber sind gleichzeitig neue Menschen in einem fremden Land.

 

Wenn ich anderen Flüchtlingen irgendwelche Tipps geben könnte, wäre das, diesen Text zu lesen, zu sehen und zu verstehen, dass man nicht allein ist, dass es immer Menschen gibt, die sich genauso fühlen, wie man selbst. Die Traumata und Emotionen werden am Anfang sehr unklar sein und es dauert, sie zu heilen, aber es ist machbar und möglich. Es gibt immer eine Lösung für jedes Problem. Wenn es um Deutschland geht, würde ich empfehlen, sich schulisch auszubilden. Zuerst die Sprache zu lernen, danach in der Schule zu bleiben, eventuell eine Ausbildung oder ein Studium abzuschließen und zu arbeiten. Die Deutschen haben großen Respekt vor denjenigen Ausländern, die Deutschkenntnisse haben und sich entweder ausbilden lassen oder arbeiten, was auch logisch ist, denn, wenn man hierher kommt, um nur vom Jobcenter zu leben und zu Hause zu sitzen, verdient man die Offenheit Deutschlands nicht. Ebenso möchte ich sagen, dass Deutschland so viele Möglichkeiten in vielen Bereichen für jede Person anbietet, egal ob es um Arbeit oder Schule geht. Also, wenn man sich beschwert, empfehle ich, dass jeder, der sich hier unwohl oder unwillkommen fühlt, einfach zurück in seine Heimat geht. Es ist so einfach!

"Ich sehe eine Perspektive für mich…"

Ich habe meinen Mittelschulabschluss (B1) im Jahr 2021 absolviert. Ich brauchte 5 Jahre, um den Abschluss zu bekommen, da ich nie besonders gut in der Schule war, weder im Irak noch in Deutschland. Ich war nie selbstbewusst, wenn es um Schule und Lernen ging. Ich hatte Möglichkeiten, eine Ausbildung zu machen oder eine andere Schule zu besuchen und dann später noch zu studieren, aber ich hatte nie Ziel, Wunsch, Idee, oder Ahnung, was ich gerne sein möchte oder in welchem Bereich, als was ich in der Zukunft für die meiste Zeit meines Lebens arbeiten soll. Vielleicht ist das so, weil ich mein Leben im Irak so plötzlich unterbrechen musste und ich mich seitdem noch immer nicht ganz gefunden habe. Oder weil Deutsch für mich immer eine Barriere war und noch immer ist. Deshalb habe ich mich für die Arbeit entschieden. Seit meinem Abschluss hatte ich verschiedene Jobs, wie z. B. Lagerist in Bäckereien, Verkäufer in verschiedenen Läden und DHL-Mitarbeiter. Alle diese Arbeitsstellen habe ich durch die Kontakte meiner Brüder und Bekannten bekommen. Gerade arbeite ich im Kiosk als Verkäufer.

Manchmal bereue ich, dass ich den Arbeitsweg und nicht den Schulweg gewählt habe, da ich jetzt Schwierigkeiten mit der Jobsuche habe. Ich will mich von meiner Familie und meinen Bekannten im Berufsbereich unabhängig machen, um mehr Geld zu verdienen und um meine Deutschkenntnisse zu verbessern. Wenn ich keine Kontakte habe, bekomme ich überhaupt keinen Arbeitsplatz, da der Mittelschulabschluss nicht viel wert in der Arbeitswelt ist. Deshalb empfehle ich den jungen Flüchtlingen, zuerst die Sprache intensiv zu lernen. Egal, wie lange das dauern soll, sie sollten sich Zeit nehmen. Am Anfang wird es so erscheinen, als ob es Jahre dauert, um nur die eine Sprache zu lernen. Ebenfalls wird es ihnen so erscheinen, als ob sie ihre Zeit nur mit der Sprache verschwenden, aber sie verlieren nichts, sondern sie bekommen eine neue Sprache. Es ist egal, wann man mit dem Studium bzw. mit der Ausbildung fertig ist, früher oder später muss man sowieso arbeiten. Danach können sie ihren Träumen entweder durch Ausbildung oder Studium folgen. Und auch wenn man keine Ahnung oder keinen Plan hat, was man machen möchte, gibt es in Deutschland viele Möglichkeiten, zuerst ein Praktikum in egal welchem Bereich, um zu sehen und zu testen, was man machen will. Daneben werden sie immer Hilfe von Lehrern und der Berufsberatung bekommen. Sie müssen sich nie einsam und ahnungslos in Deutschland fühlen.

Ich persönlich habe keinen Kontakt zu Deutschen. Die Freunde aus meiner Heimat kontaktiere ich nicht so oft, da der Zeitunterschied zu groß ist. Ab und zu sende ich meiner Oma und Tante das Geld in den Irak. Seitdem ich in Deutschland bin, war ich nicht mehr in meiner Heimat. Hier kenne ich viele Flüchtlinge.

Ich sehe eine Perspektive für mich: arbeiten, meine Familie finanziell und emotional unterstützen, den Führerschein bekommen, reisen, vielleicht wieder mit Fußball anfangen… Das Einzige, was mir fehlt, ist mein Reisepass, um zu reisen und um neue Arbeit zu bekommen. Für das zukünftige ideale Leben in Deutschland wünsche ich nur für jezidische Menschen, dass sie einen Reisepass bekommen, um unabhängig von einem Land sein zu dürfen."


Vielen Dank, Saman, für den Mut, diese Geschichte hier zu erzählen!